Ich bin als Autor der Überzeugung, dass ein Roman in der bestmöglichen Weise recherchiert sein muss – und gestehe: Ich liebe es, intensiv zu recherchieren. Dieser Teil meiner Arbeit ist besonders spannend und ermöglicht mir Einblicke in Lebenswelten, die vielen verschlossen bleiben.

Thriller mit einer blinden Hauptfigur zu schreiben, die noch dazu überwiegend aus deren Perspektive erzählt sind, war und ist für mich als Sehenden eine große Herausforderung – wie groß, wurde mir erst nach und nach offenbar. Sie werden dem Anhang der Bücher entnehmen können, dass ich alles unternommen habe, was in meinen Kräften stand, um in die vermeintlich dunkle Welt von Blinden eintauchen zu können. Viele Reaktionen haben mich erreicht. Se­hende Menschen sind insbesondere von der Innensicht, der Hypersensitivität und den Orientierungs­möglichkeiten meiner Heldin fasziniert – zum Beispiel vom Klick­sonar, das den meisten unbekannt war. Das bestärkt mich in der Hoffnung, dass die Romane den Blick auf Blinde schärfen und zeigen können, welch ungeahntes Potential es in Blinden und Sehbehinderten zu entdeckend gibt.

Wenn Sie die Bücher lesen/hören, wird Ihnen eine höchst ungewöhnliche Heldin begegnen. Einzelne von Jenny Aarons Talenten werden in Natura auch von anderen Blinden beherrscht. Aber gewiss nicht in einer einzigen Person gebündelt. Darüber hinaus beherrscht Aaron asiatische Kampfkünste und besitzt artistische Fähigkeiten, die ganz außergewöhnlich sind, zumal für eine Blinde. Sie werden eine blinde Ausnahmekönnerin kennenlernen, und das aus gutem Grund. Die Lebenswege blinder Menschen haben mich, so unterschiedlich sie sein mögen, vieles gelehrt – auch Folgendes: Das Augenlicht zu verlieren und nicht daran zugrunde zu gehen, heißt sehr oft, ums Überleben kämpfen. Ich habe meiner Heldin ihre herausragenden physischen Gaben nicht nur verliehen, um einen Schauwert für einen Thriller zu erzeugen, sondern auch, weil das, was dieser Frau geschieht und alles, was sie vermag, ein Gleichnis ist. Ja, Aaron ist größer als das Leben. Sie wird mit dem Unmöglichen konfrontiert und muss es bewältigen, um nicht zerschmettert zu werden. Mein Leitstern für meine Heldin ist jederzeit: Was ist die größte Herausforderung, vor die sie gestellt werden kann, und wie vermag Aaron sie zu meistern? Das ist eine Parabel auf die Behinderung an sich. Aarons Entschlossenheit, ihrer Sensibilität und ihrem Mut müssen die Sehenden standhalten.

Nicht jedem gelingt dies, auch davon handeln die Romane.

Doch klar ist auch: Eine blinde Virtuosin wie Aaron gibt es nur in der Fiktion. So wie eben auch sehende Actionhelden Dinge können, die – mir zum Beispiel – nicht möglich sind. Blinde verdienen in so vielerlei Hinsicht Anerkennung, Respekt, ja Bewunderung. Sie müssen sich nicht mit Aaron vergleichen. Ich tue das auch nicht, und meine Leser wissen das sehr wohl zu unterscheiden, wie ich aus vielen Kommentaren zu dem Roman weiß.

Spiegeln die in den Romanen geschilderten Ereignisse also den realistischen Alltag eines blinden Menschen? Selbstverständlich nicht. So wenig wie Raymond Chandler mit seinem Philipp Marlowe das normale Berufsleben eines Detektivs beschreibt. Aber sind Aarons Blick auf die Welt, das Instrumentarium, dessen sie sich zur Orientierung bedient, ihre besonderen Möglichkeiten, die Wahrheit zu erspüren, ihr Gehör- und Tastsinn ein Kompendium dessen, was Blinde in der Realität vermögen?

Absolut.

Lassen Sie mich zum Schluss noch Folgendes sagen: Es ist bekannt, dass die meisten Menschen auf die Frage, was das Schlimmste wäre, das ihnen passieren könnte, das Erblinden nennen. Dies hat für mich durch meine intensive Beschäftigung mit dem Thema seinen Schrecken verloren. Zu erfahren, welch großartige Leistungen Blinde vollbringen, zu lernen, wie erstaunlich sie den Alltag meistern, wie erfüllend ihre Welt sein kann, hat mich bereichert.

Ich wünsche Ihnen Freude mit Jenny Aaron